Oerlinghausen

?Wir sind auf Spenden angewiesen?
Mit neuen Erfahrungen kehrten Helpuper vom Hilfstransport aus Rumänien zurück

Oerlinghausen-Helpup (gs). Rumänien, seit dem Jahr 2007 Mitglied der Europäischen Union, hat noch einen großen Nachholbedarf. Dies wird nicht zuletzt im Gesundheitsbereich deutlich. Diesen Eindruck gewannen die vier Helpuper, die vor einigen Tagen von ihrem fünften privaten Transport zurückgekehrt sind. Mit einem großen Lastwagen brachten sie 7,5 Tonnen an gebrauchten Rollstühlen, Rollatoren und medizinischen Hilfsmitteln zu mehreren Einrichtungen in Siebenbürgen.
Klaus-Dieter Stalljann aus Lage-Billinghausen, der zum ersten Mal mitfuhr, war beeindruckt. ?Eine wunderschöne Landschaft?, sagte er beim Anblick der weiten Hochebene in Zentralrumänien. Entlang der Nationalstraße 1 war in der Ferne das Fagaras-Gebirge zu erkennen; die bis zu 2.500 Meter hohen Gipfel trugen noch Schnee.
Ziel der 32-stündigen Fahrt war das Heim Canaan für mehrfachbehinderte Kinder und Jugendliche. Es wird vom Verein Diakonia Fagaras betrieben, der auch mehrere Sozialstationen unterhält. Geschäftsführerin Gabriele Bratanescu begrüßte die Gäste aus Lippe herzlich. ?Ihr werdet schon sehnlich erwartet?, sagte sie, ?ich habe zahlreiche Anfragen nach Rollstühlen vorliegen. Allen Interessenten habe ich gesagt: Ihr müsst euch noch bis Anfang Juni gedulden?. Wie in den Vorjahren werden auch die rund 100 mitgebrachten Rollatoren wieder dankbare Abnehmer finden.
Die Idee hatte Martin Elbracht aus Helpup. Er ist geschäftsführender Gesellschafter eines Bielefelder Sanitätshauses und hat zahlreiche medizinische Hilfsmittel in seinem Bestand, die nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht mehr ausgegeben werden dürfen. In Rumänien spielt dieses keine Rolle. Denn wer auf Gehhilfen angewiesen ist, muss sie sich für viel Geld selbst beschaffen. Bei einer Mindestrente von 80 Euro im Monat ist dies für die meisten Kranken und Alten ein unerreichbarer Luxus. Die gemeinnützige Arbeit des Vereins Diakonia ist daher eine willkommene Unterstützung. Sehr gefreut hat sich Gabriele Bratanescu auch über den Scheck in Höhe von 1.350 Euro, den die Gäste ihr übergaben. Das Geld ist der Überschuss vom Nikolausmarkt in Helpup und dient der Finanzierung des Kinderheims.
Nicht selten führt auch der Zufall die Regie: Beim abendlichen Spaziergang über den zentralen Platz der Republik in Fagaras entdeckten Martin Elbracht und seine Mitfahrer die zwölfjährige Alexandra Maria in einem Rollstuhl, der viel zu wünschen übrig ließ. Die Räder standen viel zu dicht am Sitz, die Füße hatten keinen Halt, weil Stützen fehlten. ?Das Mädchen braucht dringend einen neuen Rollstuhl?, befand Orthopädiemeister Elbracht, ?wir haben so viele mitgebracht, da werden wir schon einen Passenden finden?.
Das Interesse der fremden Männer an seiner Tochter war dem Vater Marius nicht geheuer. ?Ich habe schon so viel Negatives erlebt?, meinte er und ging zunächst auf Distanz. Das Missverständnis ließ sich dann rasch aufklären. Zwei Tage später konnte Alexandra ihren ?neuen? Rollstuhl abholen. Martin Elbracht, Klaus-Dieter Stalljann, Erich Lange und Volker Neuhöfer hatten ihn zuvor gereinigt, mit neuen Reifen und eigens angepassten Fußstützen versehen. Auch wenn die Einzelteile unterschiedliche Farben haben, wird der Rollstuhl Alexandra jetzt eine bessere Sitzhaltung ermöglichen.
In Sibiu (zu Deutsch Hermannstadt) mit seinen 170.000 Einwohnern kümmert sich die Stiftung Edelweiß um ?Familien, die sich nicht selbst helfen können?, wie es Geschäftsführerin Victorina Stan ausdrückte. Ausschließlich mit Hilfe von Spendengeldern können 20 Kinder eine Tagesstätte besuchen und dort Kleidung sowie täglich ein Mittagessen erhalten, am Nachmittag werden 110 Schülerinnen und Schüler aus der ersten bis achten Klasse betreut. Besonders unterstützt werden Mütter, die Opfer häuslicher Gewalt wurden oder an Brustkrebs erkrankt sind. Im angeschlossenen Dr.-Carl-Wolff-Heim werden alte und kranke Menschen betreut. Nach ihrem Besuch ist das Helpuper Quartett überzeugt, dass die mitgebrachte Kleidung, das Kinderspielzeug, die Schulranzen und die speziellen medizinischen Hilfsmittel hier nicht nur sinnvoll verwendet, sondern auch dringend benötigt werden.
Auch im Krankenhaus von Sibiu mangelt es an vielem. ?Wir sind auf Spenden aus dem Ausland angewiesen?, bekannte Dr. Mihai Dan Roman, Facharzt in der orthopädischen Abteilung, ?deshalb sind wir sehr sparsam und brauchen immer noch Material auf, dass wir in den neunziger Jahren aus der Schweiz erhalten haben?. Auch werden Platten und Nägel in den Gelenken von Verstorbenen wieder verwendet. ?Nur Patienten, die es sich leisten können, kaufen sich neues Material selbst?, sagte der Mediziner.
Nur allzu gern nahmen die Ärzte und Pflegekräfte die Toilettenstühle, die Bandagen und Kompressionsstrümpfe entgegen. Allein zwei Tonnen an Cast-Verbänden wurden übergeben. Sie sind eine Alternative zum bisher verwendeten Gips, weil das synthetische Material schneller aushärtet. Martin Elbracht hatte die Verbände von den Herstellerfirmen erhalten, weil das Verkaufsdatum abgelaufen ist. ?Nach den EU-Richtlinien darf ich sie an die Patienten nicht mehr abgeben?, meinte Roman, ?aber das können wir uns hier in Rumänien nicht leisten?. (red)

Diesen Artikel versendenDiesen Artikel ausdrucken


eingetragen: 16.06.2011 - 21:59 Uhr