Oerlinghausen

Alle Jahre wieder: Die Wikinger in Oerlinghausen
Von Handwerk, nachgestellten Schlachten und einem Striptease

(gs). Alle Jahre wieder gehört ein Wochenende im archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen den Wikingern. Es wurden die handwerklichen Fähigkeiten aus der Wikingerzeit vorgestellt und auch die ?Schlacht um Hastings? wurde nachempfunden.
Was trägt ein Wikinger eigentlich unter einer Rüstung? Diese Frage wurde bei einem ?Striptease? des Kriegshelden Linhard von Kiekebusch beantwortet. Er zog seine Klamotten bis auf die Unterhose aus ? die Besucher staunten nicht schlecht, als sie sahen, dass die Unterhose durch eine Art Strapse oben gehalten wurde. Die Detmolderin Chiara Gehlen (12) machte die Erfahrung, wie schwer eine Kapuze aus Ketten ist: Erst eine Filzkapuze aufgesetzt, damit der Kettenpander nicht so drückt und dann den Kopfschutz oben drauf. ?Das ist aber ganz schön heiß bei diesen Temperaturen?, so die Schülerin, die großes Interesse an den Geschehnissen des Mittelalters hat.
Andreas Thiedmann aus Marburg hat sich dem Bogenbau verschrieben. Der Bogen wird gern aus Eiben-, Eschen- oder Ulmenholz hergestellt, während die Sehne aus mehrfach gezwirbelten Pflanzenfasern besteht. ?Dabei ist jedes Holz unterschiedlich?, erklärt der Bogenbauer, ?und es muss immer mit Vorsicht gearbeitet werden, bevor der Rohling in tausend Stücke zerspringt?. Etwa 50 Stunden braucht der Experte für die Herstellung eines Bogens ? die Waffen werden immer im ungespanntem Zustand gelagert, wegen der Elastizität. Und um sie vor äußeren Einflüssen zu schützen, werden die Bögen regelmäßig mit einem speziellen Öl behandelt.
Für das Bogen-Zubehör, nämlich die Pfeile, sorgt Heiko Mauritz aus Bielefeld. ?Das ist reine Fummelarbeit?, weiß der Pfeilebauer zu berichten, ?für einen Pfeil benötige ich eine bis eineinhalb Stunden. Das Schönste am Pfeil sind die Federn, die sind total unempfindlich?. Auch seine Kleidung hat Mauritz selbst gefärbt und genäht. Aus Birke, Walnuss und anderen heimischen Hölzern werden je nach Farbwunsch die Säfte gewonnen, dann zwei bis drei Tage in einem Sud gewässert und anschließend sind die Kleidungsstücke waschfest.
20 Krieger vom franko-flämischen Kontingent stellten die ?Schlacht um Hastings? nach. ?Normalerweise sind wir 300 Mann, das hätte aber den Rahmen in Freilichtmuseum gesprengt?, so Gawan Dringenberg, Chef der Gruppe, im Pressegespräch. Stammgast im Museum ist Jörg Nadler aus Schleswig, der als Vollerwerbsfischer in der kleinen Küstenfischerei in der Museumsfischerei ein zusätzliches berufliches Standbein seines Betriebes sieht. Als gelernter Berufsfischer stellte sich Nadler zu alten Fischereitechniken die Frage, welche Fangtechniken und Fanggeräte in der Vor- und Frühgeschichte bereits existierten und wie ergiebig deren praktischer Einsatz im damaligen Alltag war. Ihn interessierte der Arbeitsaufwand bei der Rekonstruktion von Fanggeräten und deren Gebrauch. Es stellte sich die Frage, warum bestimmte Fischereigeräte zum Teil nur regional begrenzt oder auch nur in bestimmten Zeitepochen zum Einsatz kamen, andere Techniken seit Jahrtausenden fast weltweit verbreitet sind und auch heute noch mit Erfolg angewandt werden. Hierzu gehören Angelgeräte, Speere, Harpunen, Reusen, Stellnetze und Zugnetze. Mittlerweile ist er aus den Veranstaltungen im Freilichtmuseum nicht mehr wegzudenken. Aber die Besucher durften nicht nur die Arbeitstechniken und Schaukämpfe bewundern, besonders die kleinen Gäste wurden zum Mitmachen animiert: Aus einem Stück Kupfer konnten sie einen Armreif herstellen, den berühmten Thorshammer gießen und mehr. ?Wir hatten bei bestem Sommerwetter etwa 3000 Besucher?, so Museumsleiter Karl Banghard, ?das waren mehr als in den vergangenen Jahren?.
Fotos: Günter Schröder (red)

Foto 1: Furchterregend sehen sie aus, die Krieger in ihren historischen Uniformen

Foto 2: Eine Gruppe von Kriegern macht sich bereit für einen Erkundungsmarsch.

Foto 3: Viele altertümliche Handwerke wurden bei den Wikinger-Tagen in Oerlinghausen vorgestellt

Foto 4: Die 12-jährige Chiara Gehelen aus Detmold arbeitete als Model und probierte eine Kettenkapuze auf

Foto 5: Klaus Halter aus Osnabrück schmiedete mit dem sechsjährigen Tim.

Foto 6: Für die Herstellung eines Bogens benötigt Andreas Thiedmann zirka 50 Stunden

Foto 7: Dem Bau von Pfeilen hat sich Heiko Mauritz verschrieben

Foto 8: Mitmachaktionen für die Kinder waren bei den Wikingertagen sehr gefragt

Foto 9: Mit altertümliche Fang- und Räuchertechniken beschäftigt sich Jörg Nadler

Foto 10: Natürlich durften auch die Kampfszenen am Barkhauser Berg nicht fehlen



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eingetragen: 30.09.2009 - 11:34 Uhr