Oerlinghausen

Oerlinghauser Büchertauschbörse ist überaus beliebt

(gs). Büchertauschbörse ist ein sehr sachlicher, nüchterner Begriff. Er ist durchaus zutreffend, beschreibt aber nicht halbwegs das, was sich in der Oerlinghauser Südstadt jeden Samstag von 9.30 bis 12 Uhr im Dietrich-Bonhoeffer-Haus an der Heinrich-Kindsgrab-Straße 4 abspielt. ?Für Bücherfreunde ist das hier wie Ostern und Weihnachten auf einen Tag?, meinen die Verantwortlichen Helga von der Eltz, Godela Baldewein und Wilfried Holzapfel. An dieser Börse kann es nur Gewinner geben: Es gibt eine Riesen-Auswahl und alles ist kostenlos.
Es ist eng. In dem kleinen Raum des Bonhoeffer-Hauses sind an diesem Vormittag immer mindestens ein Dutzend Menschen anwesend. Um ihren Lesehunger zu stillen, drängen sie sich vor den Regalen, blättern die Bände durch und sprechen miteinander ? über Bücher. Hier finden sie gebrauchte Literatur aller Art. Der Kitschroman steht neben Dostojewski, der Briefmarkenkatalog von 1976 neben einer betagten Bibel, der aktuelle Verkaufshit von Dieter Bohlen neben einem Chemiebuch aus den dreißiger Jahren. Um sie alle unterbringen zu können, hat das Team die Bücher schon in zwei Reihen hintereinander gestellt. Die Literaturfans stürzen sich vor allem auf die 4 Tische in der Mitte des Raumes, es ist die erste Station für den Nachschub. In den unsortierten Stapeln könnten sich so manche Schätze verbergen. Manche Titel finden im Handumdrehen neue Liebhaber. ?Ich konnte gar nicht alles herbringen?, sagt eine Frau, ?denn ich bin draußen schon die Hälfte losgeworden?.
?Im Normalfall hat jemand zu Hause sein Bücherregal aufgeräumt, es werden Haushalte zusammengelegt, jemand geht ins Altersheim oder die Bücher stammen aus Nachlässen?, erläutert Wilfried Holzapfel. Sieglinde Albrecht bringt gerade einen Koffer voller Bücher. ?Ich habe ihn von Nachbarn?, sagte sie, ?er stand in der Gartenlaube und sollte entsorgt werden. Ich dachte, hier sind die Bücher besser aufgehoben?. Beim Öffnen kommt unter anderem eine Ausgabe der Grimm´schen Märchen aus dem Jahre 1902 zutage.
Warum Bücher im Regal verstauben lassen, wenn sie auch noch anderen Menschen Genuss bereiten können? sagten sich einige Oerlinghauser vor 7 Jahren, die sich in der Agendagruppe ?Zusammenleben, Soziales, Kultur? zusammenfanden. Anfangs wurde die Börse zwei Mal jährlich auf dem Schulhof des Gymnasiums abgehalten. Seit genau 2 Jahren kann der Raum im Bonhoeffer-Haus genutzt werden. Und die Nachfrage ist jedes Mal riesig. ?Am Samstag vor Ostern wollten wir eigentlich nicht öffnen, aber es standen so viele Interessenten vor der Tür, da haben wir dann nachgegeben?, sagt Helga von der Eltz.
Es kommen zum Beispiel Kindergarten-Mitarbeiterinnen, die in Kinder- und Bastelbüchern neue Anregungen suchen. Es gibt die Betreuer in Altenheimen, die kurze Geschichten zum Vorlesen benötigen. Die Börse bietet auch eine kostenlose Ferienlektüre, ohne dass sie zurückgegeben werden muss wie in der Stadtbibliothek.
?Ich lese gern, da nehme ich immer viel mit?, sagt Wilma Fischer, die auch Nachbarn, die Tochter und Enkeltochter mit Lesestoff versorgt, ?nach der Hälfte entscheide ich, ob mir ein Buch gefällt. Es muss spannend sein?. Gennadi Dück verfasst selbst Bücher, die Börse ist seine Fundgrube. ?Ich bin gern und ganz oft hier?, sagt er, ?im Moment schreibe ich über die alten Germanen und suche noch Informationen?. Den ?Offenen Bücherschrank? am Simonsplatz bestückt die Börse ebenfalls und sogar zu Pädagogischen Hochschulen in Russland bestehen Kontakte. In Ufa und in Kasan am Ural wird klassische deutsche Literatur für den Unterricht gesucht. Seltene Fachbücher wurden auch schon an die Lippische Landesbibliothek abgegeben.
Nicht wenige Interessenten bleiben zum Teil mehrere Stunden, hat Helga von der Eltz beobachtet ?um nichts zu verpassen, aber auch wegen der Atmosphäre?. Deshalb stehen in der Börse auch Kaffee und Kuchen bereit, Gespräche entwickeln sich dann von allein. Die Themen reichen von Lesetipps bis zu Backrezepten. ?Hier ist Kommunikation, und die brauchen wir in der Südstadt?, meint Helga von der Eltz. Dass sich auch viele Russlanddeutsche unter den Stammgästen befinden, wertet sie als besonderen Erfolg.
So mancher Buchfan sieht das einzige Problem darin, sich zu beschränken. An diesem Vormittag heißt es mehrfach ?Heute nehme ich mal nichts mit?, meistens wird der Vorsatz schnell aufgegeben. Auch Wilfried Holzapfel ist von der Idee der Börse immer noch begeistert: ?Als Kind habe ich immer wenig Bücher gehabt ? und jetzt diese Fülle?. (red)

Foto 1: Den Koffer voller Bücher, den Sieglinde Albrecht abgibt, nehmen Helga von der Eltz, Wilfried Holzapfel und Godela Baldewein von der Tauschbörse gern entgegen.

Foto 2: Bei ihrem ersten Besuch in der Büchertauschbörse entdeckten die Kinder gleich etwas Interessantes zum ?Schmökern?.



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eingetragen: 03.05.2009 - 21:04 Uhr